Der Klang der blauen Muschel by Beatrix Mannel

Autor:Beatrix Mannel [Mannel, Beatrix]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Diana Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
veröffentlicht: 2014-07-06T22:00:00+00:00

20. KAPITEL

Auf Upolu stand Henriette eine Woche nach dem Überfall zusammen mit Nian am Küchenhaus und betrachtete die verkohlten Ruinen des Haupthauses. Nachdem Tamatoa und seine Krieger der beiden Männer nicht habhaft werden konnten, hatten sie das Wohnhaus angezündet und das Küchenhaus zum Glück nur ausgeplündert. Später waren sie weitergezogen zur Kokosplantage mit der Kopra-Darre und hatten auch dort Feuer gelegt. Aber kurz nach Mitternacht hatte kräftiger Regen eingesetzt und die Flammen auf der Plantage im Keim erstickt. Für das Haus war der Regen zu spät gekommen.

Es war Henriette unmöglich, das so gelassen hinzunehmen wie Nian. Ihr Zuhause war bis auf die Grundmauern abgebrannt, mitsamt dem einzigen Brief, den Sophie ihr im letzten Jahr geschrieben hatte. Ihre Mutter hatte seit dem Unfall kein Wort gesprochen, sie lag im Krankenhaus wie eine lebendige Leiche. Ella hatte sich den Arm gebrochen, und der Mann, der an all dem schuld war, hatte nur mit ihrer Hilfe entkommen können.

Dabei wäre es so viel besser gewesen, wenn er in der Nacht den Tod gefunden hätte. Eine Stimme in ihrem Kopf quälte sie unablässig: dass ihr Ausflug mit Hofmann in den Dschungel der Kern all dieser Zerstörung gewesen war. Eine andere Stimme wollte sie trösten und beharrte darauf, dass ihr Vater schuld daran war, dass Hofmann in ihrem Leben eine so wichtige Rolle spielen konnte. Und eine dritte Stimme lachte sich über all das ins Fäustchen, weil es so müßig war, darüber nachzudenken, denn es war zu spät. Sie musste neu anfangen, mit dem, was diese grauenhafte Nacht übrig gelassen hatte.

In der Kolonie und unter den Pflanzern war die Empörung über Gouverneur Solfs Untätigkeit groß. Er wurde permanent aufgefordert, endlich durchzugreifen und ein Exempel zu statuieren, anstatt danach zu fragen, wie es zu diesem Aufstand gekommen war. Solf jedoch ließ sich von niemandem provozieren.

Allerdings hatte er ihren Vater vorgeladen und ihn persönlich befragt. Nachdem Henriette mit einer Bandage am Knie aus dem Krankenhaus entlassen worden war, musste auch sie eine Aussage machen. Sie hatte gelogen wie noch nie in ihrem Leben, und das Einzige, was ihr daran wirklich Kummer bereitete, war, dass sie nicht verraten konnte, was Hofmann Sina angetan hatte. Denn das hätte nur Tamatoa in große Gefahr gebracht. Jeder hätte gewusst, dass Tamatoa oder sein Vater, der Matai, diesen Rachefeldzug geplant hatten. Deshalb war ihr nichts anderes übrig geblieben, als sich völlig ahnungslos zu geben und so zu tun, als wüsste sie nicht, warum man ausgerechnet das Haus ihres Vaters für den Überfall ausgesucht hatte. Und obwohl sie beinahe daran erstickt wäre, durfte sie niemandem verraten, was für ein mieses Schwein ihr Verlobter war.

Sie hoffte, dass man Tamatoa niemals bestrafen würde, auch wenn er ihr Haus zerstört hatte und es sie schmerzte, am Bett ihrer schweigenden Mutter zu sitzen. Für Henriette gab es nur einen einzigen Schuldigen in der ganzen Angelegenheit. Hofmann. Er sollte, er musste dafür büßen. Nicht Tamatoa. Sie wünschte, sie könnte mit ihm über alles reden. Aber ihr war klar, was das für ein lächerlicher Wunsch war. Er würde ganz sicher

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